Modernisierung in der Miersch (Teil 2): Aller Anfang ist schwer
Lesen Sie hier den zweiten Teil der Geschichte unseres größten Modernisierungskonflikts. Teil 1 findet sich hier. Weitere Teile werden folgen.
Im Januar 2022 meldete sich eine Mieterin aus der Adolf-Miersch-Siedlung bei der Mietergewerkschaft. Daniel Katzenmaier, 1. Vorsitzender der Mietergewerkschaft, berichtet: „Die Mieterin hatte Interesse an der Mietergewerkschaft und wollte gerne die Unterschiede zwischen Mieterverein und Mietergewerkschaft erklärt bekommen. Wir machten dann vor Ort einen Gesprächstermin aus, die Mieterin hatte eine weitere Nachbarin eingeladen. Gemeinsam diskutierten wir über den Ansatz der Mietergewerkschaft, kollektive Vereinbarungen jenseits des rechtlichen Wegs durchzusetzen.“
Zu diesem Zeitpunkt hatte es unter den Mietern in der Miersch-Siedlung schon einen ersten Anlauf zur Selbstorganisierung gegeben – der aber nicht von Erfolg gekrönt war. Gemeinsam hatte man die „Initiative Adolf-Miersch-Siedlung“ gegründet. Erklärtes Ziel der Initiative war, die Modernisierungsmaßnahmen zu verhindern. Doch die Corona-Pandemie erschwerte die Zusammenarbeit. Die meisten Treffen konnten nur digital stattfinden. Eine richtige Strategie, wie man gegen die Modernisierung vorgeht, gab es in der Initiative nicht. Auf einer Veranstaltung der NH und der Stabstelle Mieterschutz der Stadt Frankfurt zeigte sich, dass viele Mieter zwar skeptisch wegen der steigenden Mieten und den Umständen des Umbaus sind, sich aber eine Modernisierung ihrer Wohnungen durchaus wünschen.
Der erste Anlauf scheitert und viele Aktive sind frustriert
Zwei Teilerfolge konnten jedoch errungen werden: Eine Mieterin verhinderte die Modernisierung ihres Hauses. Sie stimmte der Modernisierung nicht zu. Es kam zu einem langen Prozess und zu einer Räumungsklage von Seiten der NH. Eine weitere Mieterin konnte der NH eine Modernisierungsvereinbarung abringen. Die Vereinbarung wurde später als Vorbild für einen Forderungskatalog von Mieterinnen und Mietern des nächsten Bauabschnittes übernommen. „Wir standen also vor einem Scherbenhaufen: Viele Aktive waren frustriert, die alte Initiative war gespalten und hatte keinen Rückhalt in der Siedlung. Jetzt musste ein Neustart her“, sagte eine Mieterin nach einer boykottierten Kundgebung.
Mietergewerkschaft hilft mit Erfahrung beim Neustart
Bei diesem zweiten Anlauf wurden die Mieter unter anderem von erfahrenen Aktivisten aus der Mietergewerkschaft und der Nachbarschaftsinitiative Nordend Bornheim Ostend (NBO), einer lokalen Nachbarschaftsinitiative, unterstützt.
„Genau das unterscheidet eine Mietergewerkschaft von einer Mietergemeinschaft. Wir sorgen dafür, dass das vorhandene Wissen darüber, wie man eine Auseinandersetzung effektiv führt, breit gestreut wird. So ist niemand gezwungen, das Rad immer wieder neu zu erfinden.“
Daniel Katzenmaier
Nicht Forderungen „für“ sondern „von“ den Mietern: Die Forderungen an den Vermieter müssen von den betroffenen Mietern selbst ausgehen. Die Mietergemeinschaft setzt sich nicht an Stelle der Mieter. Sie ist im Gegenteil Sprachrohr ihrer Interessen.
- Transparenz: Die monatlichen Mieterversammlungen sollten in Präsens stattfinden. Jeder Mieter soll die Entscheidungen der Mietergemeinschaft nachvollziehen können.
- Keine Maximalforderungen: Die Mietergemeinschaft verzichtet auf Forderungen an den Staat oder „die Politik“. Der Vermieter entscheidet am Ende, wie die Modernisierung ausgestaltet wird. An diesen müssen wir unsere Forderungen adressieren.
- Nicht Forderungen „für“ sondern „von“ den Mietern: Die Forderungen an den Vermieter müssen von den betroffenen Mietern selbst ausgehen. Die Mietergemeinschaft setzt sich nicht an Stelle der Mieter. Sie ist im Gegenteil Sprachrohr ihrer Interessen.
Ab Mai wurden dann monatliche Mieterversammlung durchgeführt. Mietergewerkschaftler, aktive Mieterinnen, Aktivisten der NBO und Einzelpersonen aus der Linkspartei führten dann regelmäßig Haustürgespräche mit betroffenen Mietern. Das zahlte sich bald aus: die Mieterversammlungen waren nach den Haustürgesprächen sehr gut besucht. Plötzlich waren zwanzig Mieterinnen und Mieter aus der Siedlung da, beteiligten sich und brachten ihre Ideen ein.
Die neue Mietergemeinschaft fordert eine Modernisierungsvereinbarung
Auf dieser Versammlung diskutierten die Mieter über den Vorschlag der Mietergewerkschaft, eine kollektive Modernisierungsvereinbarung zu fordern. „Die Idee einer kollektiven Modernisierungsvereinbarung haben wir aus den Gesprächen mit den Mietern herausgearbeitet. So eine Vereinbarung ist keine fundamentale Ablehnung jeglicher Modernisierung, das wollen die Mieter gar nicht. Es geht darum, durch eine bindende Vereinbarung mit dem Vermieter eine sozialverträgliche Modernisierung durchzusetzen. Ähnlich wie bei einem Tarifvertrag im Betrieb“, erläutert Daniel Katzenmaier. Der Vorschlag wurde schließlich fast einstimmig von der Versammlung angenommen.
Zwei Mieterinnen übernahmen die Redaktion und erarbeiteten basierend auf den Vorstellungen der Mieter eine Forderungsliste. In einer zweiten Mieterversammlung im September 2022 wurden die Forderungen an die NH für eine kollektive Modernisierungsvereinbarung dann endgültig verabschiedet.
Bei der Sammlung von Unterschriften zur Unterstützung der Forderungen der Mietergemeinschaft zeigte sich dann der Erfolg des neuen Vorgehens: Weit mehr als die Hälfte der betroffenen Mieter unterstützen die Forderungen.
Nicht nur im Protest sondern auch beim Feiern vereint
Unterschriften und Versammlungen allein stärken keine Gemeinschaft. Mit Unterstützung der Mietergewerkschaft haben aktive Mieter auch ein Sommerfest in der Siedlung organisiert. Auf dem Fest sollten Nachbarn die Möglichkeit haben, ohne „formellen Anlass“ einander besser kennenzulernen und sich ungezwungen auszutauschen. Am Sommerfest haben sich ca.15 Mieterinnen und Mieter beteiligt. Es wurden Grußworte von dem Ortsbeirat, der Mietergewerkschaft sowie der NBO gehalten. Trotz schlechten Wetters war das Sommerfest ein voller Erfolg.
Die sichtbare Unterstützung der Mietergemeinschaft durch die Mehrzahl der Mieter in der „Miersch“ sollte nicht ohne Folgen bleiben. Bei der NHW wurde man bald hellhörig. Doch anstatt auf einen Kompromiss, setzte der Vermieter auf die Methode Brechstange. Wie diese Konfrontation ausging, erfahrt ihr im dritten Teil unserer Serie.
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